IDENTIFIKATION DES MALERS MIT SEINEM SUJET

Klaus Armbruster hat die längste Zeit seines bisherigen Lebens im Ruhrgebiet gelebt. Den Menschen, in deren Mitte er als Künstler und Hochschullehrer arbeitete, galten sein Interesse und seine Sympathie. Ihrer besonderen Geschichte und Sozialisation hat er sich immer wieder zugewandt und sie in seinem Werk auf unterschiedliche Weise porträtiert.

Im Jahre langen Prozess der malerischen Umsetzung der 81 Bildmotive, als er die Menschen mit eigener Hand auf der Leinwand hervorbrachte, ist eine noch weiter gehende Identifikation mit seinem Sujet entstanden, unwillkürlich kam er dabei auch mit der eigenen Geschichte in Berührung. Wenn er die am Kanal badenden Jungen malt, die gerade der Kindheit entwachsen sind und zwei in sich versunkene Mädchen beobachten, wenn einer der Jungen einen Stein nimmt und nach zwei durchs Wasser ziehenden weißen Schwänen wirft, wird er selbst wieder zum Jugendlichen und spürt, wie sich das anfühlt. Und wenn er Szenen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs oder die dem frühen Tod geweihten Widerstandskämpfer der Ruhrbesetzung auf die Leinwand bringt, werden Erinnerungen an schlimme Kriegsereignisse in der eigenen Familie wach oder an sein eigenes viel weniger riskantes Engagement gegen den Vietnam-Krieg. Diese Bezüge ins eigene Innerste bewegen den Maler zu einer sehr persönlichen, assoziativen, auch emotionalen Aufladung seiner Bildmotive, die zu einer fast magischen Ausstrahlung und Anziehungskraft des Gesamtbildes führt. Zugleich ergab sich aus der oft bewegungsunscharf verwischten Abbildungsqualität der Video-Einzelbilder, aus denen seine malerische Umsetzung hervorging, die Notwendigkeit, eigene Körperstudien in die Bilder einzuarbeiten, bis hin zu einem Selbstporträt, das er in die Reinraumschleuse einbaute. Als er schließlich einem jungen, halbnackten Disco-Tänzer, der im Geburtstriptychon den Neugeborenen gestisch beschwört, seinen eigenen alten Körper lieh, war er im Kern des zweiten Brecht-Gedichtes angelangt, das RUHRWERK und nun auch der Tafelbildmontage als zentrale Textfolie unterlegt ist. Die „Adresse des sterbenden Dichters an die Jugend“ beginnt mit den Worten: „Ihr jungen Leute kommender Zeiten und neuer Morgenröten über Städten, die noch nicht gebaut sind...“ und endet mit der Aufforderung: „das Land zu bebauen, das wir verfallen ließen, und die wir verpesteten, die Städte, bewohnbar zu machen!“

Dass Brechts gescheiterte Idee für ein „Ruhrepos“, auf das sich Klaus Armbruster und Wolfgang Hufschmidt mit ihrem RUHRWERK bezogen, in der Zeit entstand, als die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer die Zentralschachtanlage Zollverein XII entwarfen, schlägt einen weiteren Bogen zu der Ausstellung. Auch die von Armbruster konzipierte Ausstellungsarchitektur ist konsequent aus Quadern aufgebaut. Durch den Widerstand gegen das Projekt „Stuttgart 21“ hat DIE STÄDTE SIND FÜR DICH GEBAUT unversehens einen zusätzlichen, aktuellen Bezug erhalten, schon von Bertolt Brecht auf den kritischen Punkt gebracht und nun von Klaus Armbruster in Bildsprache übersetzt.

Zum Jahresende verlässt Klaus Armbruster das Ruhrgebiet. Auf dem Welterbe Zollverein hinterlässt er seine erste Tafelbildmontage als Hommage an die Menschen, die hier leben. Der Künstler wünscht sich, „dass sein Werk in den Herzen der Menschen Resonanz und nach der Präsentation auf Zollverein vielleicht auch eine öffentlich zugängliche Bleibe auf Dauer im Ruhrgebiet findet.“

Die Werkschau Klaus Armbrusters reiht sich ein in die Liste bedeutender zeitgenössischer Künstler, die das Welterbe Zollverein sowohl mit fest installierten Arbeiten, etwa von Ulrich Rückriem, Maria Nordman oder Ilya und Emilia Kabakov, als auch mit vielbeachteten temporären Ausstellungen wie von Per Kirkeby, Markus Lüpertz und Hanne Darboven in der internationalen Kunstszene verankern.